Hier der Wortlaut der Haushaltsrede 2017 des Fraktionsvorsitzenden Raimo Benger:
„Sehr geehrter Herr Bürgermeister, sehr geehrter Kämmerer, liebe Ratskolleginnen und Kollegen,der vorliegende Haushaltsplanentwurf 2017 ist kreativ in jeglicher Bedeutung des Wortes – somit im doppelten Sinne!So bietet er Chancen!
Es besteht der Wille, Wege zu suchen, um mit eigener Kraft aus der Finanzkrise, in der wir uns befinden, herauszukommen. Positiv ist hier insbesondere die Einrichtung einer Steuerungsgruppe, die diese Wege den zuständigen Gremien vorschlagen soll. Bereits vor knapp zehn Jahren hat die UWG-Fraktion eine solche Steuerungsgruppe vorgeschlagen, was zur Folge hatte, dass nach langem „Hin und Her“ eine „Sparkommission“ mehr oder weniger lustvoll bzw. lustlos von der Verwaltung eingerichtet hat, die bald wieder eingeäschert wurde. Ich hoffe und glaube, dass das Thema nunmehr mit ein wenig mehr Ernsthaftigkeit betrieben wird, zumal die Einrichtung diesmal ja von der Verwaltung selbst vorgeschlagen wurde. Ich habe den Kämmerer, als er vor der UWG- und Grünen-Fraktion seine Erläuterungen abgegeben hat, ein Kompliment für seine Offenheit und die Ideen, die er im Ansatz zeichnete, ausgesprochen. Ein Beispiel sei nur genannt: Unsere Bäder als Betriebe gewerblicher Art mit der Folge einer besseren buchhalterischen Darstellung zu betrachten, ist zulässig und gut! Man fragt sich hier lediglich, warum wir nicht eher darauf gekommen sind.
Die zweite Bedeutung von Kreativität ist eine Ambivalente etwa in Verbindung mit „Haushaltsführung“ – also „kreativer Haushaltsführung“! Wenn man an die Veräußerung von städtischem Eigentum denkt, so kann man in den entsprechenden Jahren die jeweiligen Haushalte ausgeglichener darstellen – dies jedoch nur einmal! Man löst damit keine strukturellen Probleme!
Zulässig aber auch kreativ ist die Herausnahme der 1,3 Mio. EUR für den „Fond Deutscher Einheit“ für das Jahr 2020 in der langfristigen Planung. Wer aber weiß, dass wir heute noch eine „Sektsteuer“ für den Bau der Schiffe der Kaiserlichen Marine zahlen und unsere Raucher dazu beitragen, die „Innere Sicherheit“ in Deutschland aufrecht zu erhalten (Tabaksteuer) kann nur schwerlich glauben, dass dem Bund nicht etwas anderes einfallen wird, um auch unsere 1,3 Mio. EUR weiter einzusacken.
Wie auch immer! Ich habe dem Kämmerer mein Wort gegeben, dass wir Unabhängigen im Rat der Stadt seine Ideen und seine Kreativität positiv und an den entsprechenden Stellen aber auch kritisch begleiten! Das Wort gilt! Dies ist auch dringend erforderlich, denn die komplette Investitionstätigkeit der Stadt Meinerzhagen in den nächsten Jahren ist kreditfinanziert. Aber was noch viel bedrückender ist, dass das gleiche für einen Großteil des „laufenden Geschäftes“ gilt. Dies ist der Fall, obgleich Meinerzhagen über außerordentlich hohe Gewerbesteuereinnahmen verfügt. Wir haben gute und starke Unternehmen in der Region, die daraus resultierend auch entsprechende Gewerbesteuer zahlen – im Vergleich zu Kommunen vergleichbarer Größe haben wir überdurchschnittliche Einnahmen. Das Problem besteht mithin auf der Ausgabenseite! Jedoch sind die Probleme auf der Ausgabenseite nicht komplett „hausgemacht“.
Die für das Jahr 2017 in Höhe von 555 TEUR explodierenden Kosten für den sogenannten „Stärkungspakt“ sind eine bodenlose Frechheit der Landesregierung! Sie belasten Kommunen, die bisher noch einigermaßen ihren Haushalt darstellen konnten und helfen Kommunen, die diese Zuwendungen bekommen, nicht wirklich. Diese haben, wie viele Kommunen im Ruhrgebiet, strukturelle Probleme in Folge der Abwanderung von Industrie in das Ausland! Die Gelder sind für diese lediglich ein „Tropfen auf dem heißen Stein“. Ein nicht durchdachtes „Erneuerbare Energien Gesetz“ mit für Unternehmen überdurchschnittlichen Energiekosten im europäischen und weltweiten Vergleich tragen zur Abwanderung von Unternehmen bei. Und dies sei auch einmal hier gesagt. Deutschland und damit auch wir in Meinerzhagen sind durch die letzte Wirtschaftskrise vor nicht ganz zehn Jahren am besten durchgekommen, weil wir noch über einen hohen Anteil von Industrietätigkeit verfügen. Südwestfalen etwa ist die stärkste Industrieregion in Nordrhein-Westfalen und die drittstärkste in Deutschland.
Was für den sogenannten „Stärkungspakt“ – der aber in Wahrheit ein Schwächungspakt ist – gilt, muss auch für die Kreisumlage gelten. Hier ist „Maßhalten“ gefordert. Aber auch hier in diesem Stadtrat sitzen Vertreter, die die Umlage mitbeschlossen haben.
Die Haupteinnahmen resultieren aus der Grundsteuer B und der Gewerbesteuer. Gewerbesteuer zahlt in Meinerzhagen auch der Einzelhandel. Dieser wurde stark vom Umbau unserer Innenstadt malträtiert. Ich habe bewusst vor dem Fertigen dieser Rede mit Einzelhändlern gesprochen. Es ist ein massiver Rückgang von Kunden zu verzeichnen, was zu Schließungen aber auch zu Personalreduzierungen geführt hat. Einzelhändler sagen mir, dass Meinerzhagener mittlerweile nach Kierspe fahren, weil sie dort besser an den Geschäften parken können. Die Einbrüche – insbesondere auch Freitags, dem bisher typischen Meinerzhagener Einkaufstag – sind ebenfalls dramatisch.
Die Einzelhändler haben Vertreter unserer Verwaltung dringend und mehrfach gebeten, in der Zeit der Umbaumaßnahmen Schilder, die den Weg weisen, aufzustellen und zusätzliche Parkplätze einzurichten, was erst nach längerer Intervention – auch unserer Fraktion – erfolgt ist. Das geht nicht! Wir leben auch von unseren Einzelhändlern in der Innenstadt und ihnen muss jede Unterstützung gegeben werden!
Die „Regionale-Mittel“ werden – auch aus unserer Sicht – zum großen Teil sinnvoll zur Verbesserung des Stadtbildes eingesetzt. Unsere Argumente, warum wir den Umbau des Stadthallenumfeldes in der jetzt durchgeführten Form für kontraproduktiv und falsch halten und uns statt dessen gewünscht hätten, die Mittel in die Verbesserung der bestehenden Substanz zu investieren, haben wir dargelegt. Der vorgesehene Platz – und das ist nur ein Argument – wird zu einer schwereren Erreichbarkeit der Einzelhändler in der Innenstadt führen.
Dass darüber hinaus in den Haushaltsplanentwürfen vorgesehene notwendige Maßnahmen – etwa zur dringend erforderlichen Erweiterung der Mensa in der Sekundarschule – mehrfach geschoben wurden, ist völlig unverständlich und nicht zu vertreten.
Ideen bedürfen reiflicher Überlegungen und diese Überlegungen unterliegen einem Entwicklungsprozess. Die Idee, die Stadthalle abzureißen und dort ein Einkaufszentrum mit Halle zu errichten, vermag auf den ersten Blick Chancen zu versprechen. Steigt man jedoch intensiver in das Thema ein, stellt man fest, dass unsere Stadthalle ein Alleinstellungsmerkmal ist. Solche Alleinstellungsmerkmale braucht jede Kommune dringend! Die Akustik unserer Stadthalle ist hervorragend. Sie kann eben nicht ersetzt werden durch eine Halle in einem neuen Einkaufszentrum. Somit bietet unser Alleinstellungsmerkmal „Stadthalle“ einen Magneten für Besucher aus dem Umfeld. Wenn man sich dann noch mit Verträgen beschäftigt, die Kommunen mit privaten Investoren in gleicher Situation geschlossen haben, bestehen weitere Zweifel an dem bisher nur in Grundzügen bekannten Konzept der Verwaltung. Dann noch vorzusehen, „Einzelhandel“ in diesem „Phantom“ unterzubringen, ist empirisch völlig unhaltbar und wird nicht funktionieren. Es gibt deutlich mehr Beispiele, in denen dieses gescheitert ist und dem bereits bestehenden Einzelhandel geschadet hat, als dass es positiv ausgegangen ist, insbesondere, wenn zwei deutlich größere Städte im Umfeld von Meinerzhagen (Lüdenscheid und insbesondere Gummersbach mit einem architektonisch in das Steinmüller-Gelände hervorragend eingebetteten Einkaufszentrum) Wettbewerber sind. Über all dem schwebt einmal wieder einmal ein für den ein oder anderen hier wohl unantastbares Düsseldorfer Planungsbüro, das mit der Erfahrung von Großstädtern meint, die Regeln, die dort gelten, auch uns hier überstülpen zu müssen.
Noch niemand hat uns erklärt, warum es nicht möglich sein soll, die Stadthalle zu erhalten und ggf. An- und Umbauten vorzunehmen, in die Publikumsmagnete, wie etwa der „Sportpalast“ oder ein Restaurant mit kreativer Küche, wie sie das „La Provence“ hatte, einziehen könnten.
Damit einher geht das Thema „Transparenz“, das zu Vertrauen führt, wenn sie gewährt wird, aber zu Misstrauen, wenn sie nicht gewährt wird.
Altbürgermeister Erhard Pierlings hat in einem Leserbrief ausgeführt, dass es Überlegungen zum Abriss der Stadthalle schon länger geben würde und hat gleichzeitig betont, dass er diese immer abgelehnt habe. Zudem wurde vor einigen Jahren, als die Ausschreibung für das Stadthallenumfeld erfolgte, in einer Sitzung von einem Vertreter des besagten Planungsbüros gesagt, dass „zurzeit noch mit der Stadthalle geplant werden“ solle. Dies zeigt, dass es diese Überlegungen schon lange gibt, ohne dass diese transparent gemacht wurde.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir leben in einer wunderbaren Stadt mit einem ebensolchen Umfeld, das von Alleinstellungsmerkmalen wie der Jesus Christus Kirche, der Stadthalle mit der hervorragenden Akustik, dem Einzelhandel und unseren starken Industrieunternehmen lebt. Insbesondere aber lebt unsere Stadt auch vom Engagement unserer Bürgerinnen und Bürger, die in einem ausgeprägten Vereinswesen diese Stadt positiv prägen. Man stelle sich nur als Beispiel vor, dass es KUK nicht geben würde – wie sähe dann unsere Kulturlandschaft in Meinerzhagen aus?!
Wir Unabhängigen werden auch in den kommenden Jahren Entscheidungen, die dem Wohle unserer Stadt und den genannten Gruppen, die sie tragen, helfen, mittragen und uns im besten Sinne kreativ in den Veränderungsprozess einbringen.
Gleichzeitig werden wir unser Wort erheben, wenn Entscheidungen getroffen werden sollen, die Ihnen schaden oder ein „laissez faire“, eine gewisse Trägheit, dazu führt, dass ihnen geschadet wird.
Ich bedanke mich – auch im Namen meiner Fraktion – beim Kämmerer für die geleistete Arbeit und für den offenen und ehrlichen Vortrag bei unserer Haushaltsklausursitzung!
Euch, liebe Kolleginnen und Kollegen, danke ich für Eure Aufmerksamkeit!
Wir stimmen dem Haushalt zu.“