Haushaltsrede Raimo Benger Haushalt 2014

Haushaltsrede

zum Haushaltsplanentwurf 2014 der Stadt Meinerzhagen

Unabhängige Wählergemeinschaft (UWG)

Fraktionsvorsitzender Raimo Benger

 

Sehr geehrter Herr Bürgermeister,

sehr geehrte Damen und Herren,

„man sollte nicht den Ast absägen, auf dem man sitzt“, so eine alte Weisheit.

Auf welchem Ast sitzen Städte wie unser Meinerzhagen? Der Ast bzw. der Stamm sind die Bürgerinnen und Bürger und die Unternehmen.

Die Struktur der Erträge im Jahr 2014 besteht aus 32,2 % Gewerbesteuer (Unternehmen), 21 % fallen auf den Gemeindeanteil der Einkommens- und Umsatzsteuer (Bürger und Unternehmen), 21,4 % auf öffentlich-rechtliche und privatrechtliche Leistungsentgelte (Bürger und Unternehmen) – nicht zu vergessen die Grundsteuer B, die die Bürgerinnen und Bürger zahlen. Diesen Ast bzw. diesen Stamm darf man nicht derart belasten, dass er abbricht – weder durch weiter ausufernde Steuern und Abgaben – denn irgendwann ist der „point of no return“ erreicht – noch durch eine noch stärkere Verschuldung, die dann wieder dazu führt, dass Steuern und Abgaben noch stärker erhöht werden. Auch Investitionsmaßnahmen müssen daher mit Augenmaß betrieben werden.

Auf viele Dinge haben wir kommunal keinen Einfluss, es sei denn, die in diesem Rat vertretenen Kolleginnen und Kollegen, die Parteien angehören, würden in ihrer Landes- und/oder Bundespartei einmal das Wort erheben.

Der Spielraum für Bürgerinnen und Bürger und Unternehmen wird immer enger. Stichwort: Die Geldmengenausweitung führt zu Scheinwachstum, Preisblasen, Vermögensverlust und Inflation.

Die Nahrungsmittelpreise zogen in diesem Sommer um 5,7 % an – so stark wie seit vier Jahren nicht mehr. 15,4 % mehr kosten laut Statistischem Bundesamt  Fette und Speiseöle.

Butter war 30,8 % teurer als vor einem Jahr, Kartoffeln 44,4 %, Gemüse 11,7 %. Gleichwohl kam eine Inflationsrate von nur 1,9 % heraus, weil eben nicht „gewichtet“ wurde. Die Inflationsrate ist daher getürkt; die Belastung der Bürgerinnen und Bürger in Wahrheit höher.

Die krisenbedingte Niedrigzinspolitik der EZB führt dazu, dass in Deutschland der Saldo aus Zinsverlusten und -gewinnen der privaten Haushalte negativ war, im übrigen Euro-Raum dagegen positiv. In Deutschland haben dadurch die Sparer im Jahr 2012 5,8 Mrd. EUR verloren. Es gab hierzu eine interessante Darstellung von Sparkasse und der Unternehmensberatung Niggemann in der MZ.

Nun droht die offene Enteignung, weil der Internationale Währungsfonds und das regierungsnahe Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung, die beide eine Zwangsabgabe für Sparer fordern.

Unternehmen, die international produzieren, stehen auch in einem internationalen Benchmark. Nicht nur Thyssen Krupp macht den Standort Deutschland von der künftigen Politik über die Ökostromförderung abhängig, welche energieintensive Unternehmen im internationalen Vergleich stark belastet. Seien wir froh, dass es in Meinerzhagen eine enge Bindung der international tätigen Unternehmen an unserem Standort gibt.

Investitionen in Meinerzhagen und Valbert müssen mit Augenmaß erfolgen, um nicht weitere Belastungen zu provozieren. Sie sind aber wichtig und richtig, damit wir unsere liebenswerte Stadt erhalten.

Der Gesamtbetrag der Kredite, deren Aufnahme für Investitionen erforderlich ist, wird in diesem Haushaltsplanentwurf auf 5,2 Mio. EUR festgesetzt. Der Höchstbetrag der Kredite, die zur Liquiditätssicherung in Anspruch genommen werden dürfen, wird auf 22,5 Mio. EUR festgelegt. Diese Zahlen veranschaulichen, dass Investitionen mit Bedacht getätigt werden müssen, da ansonsten zur Haushaltsdeckung weitere Steuer- und Abgabenerhöhungen drohen. Dauerhafte Kredite zur Liquiditätssicherung sind Gift.

Ein kleines Rechenbeispiel aus der UWG-Fraktion: Die Übersicht über den voraussichtlichen Stand der Verbindlichkeiten weist 55.669.000 EUR aus. Kassenkredite sind mit 18 Mio. EUR geplant; maximal 22,5 Mio. EUR sind möglich. Eine Zinssteigerung um 1 % würde allein bei den kurzfristigen Verbindlichkeiten 0,225 Mio. EUR per anno mehr an Zinszahlungen ausmachen. Dies zeigt das Risiko für den Haushalt auf. Außerdem muss ein Szenario entwickelt werden, wie auf derartige Risiken reagiert werden soll.

Investive Ausgaben, die unsere Stadt deutlich weiter bringen, sind viele Maßnahmen der Regionale. Unser Stadtbild bedarf einer Überplanung mit dem Ziel einer Verschönerung. Die Mittel der Regionale sind hilfreich. Die Planung und die Umsetzung müssen aber eine Verbesserung sein und in unsere Stadt passen.

Die zunächst auflaufenden Eigenmittel in Höhe von 1.331.000 EUR in das Stadthallenumfeld müssen „gut“ investiert sein – für Maßnahmen, die in unsere Stadt passen. Ein Platz passt in die belebte Altstadt von Düsseldorf, kann aber in einer mittelgroßen Stadt wie Meinerzhagen dazu führen, dass dem Kern „Leben entzogen wird“ und Geschäfte an der Hauptstraße Kunden aus dem Durchgangsverkehr verlieren.

„Bürger sein ist etwas anderes, als zu einer Masse von Angeführten zu gehören“, sagte Bruno Snell einmal.

Viele Bürgerinnen und Bürger in Meinerzhagen haben ihr Recht auf Mitgestaltung in Anspruch genommen. Das ist gut so, denn es zeigt, dass diese Stadt durch ihre Einwohnerinnen und Einwohner lebt. Es hat keine klare Mehrheit für die Art des Umbaus gegeben, wie sie die Ratsmehrheit plant. 18 Prozent dafür, 17 Prozent dagegen. Damit ist der Entscheid, den die Ratsmehrheit auf den Weg gebracht hat, abgelehnt denn das Quorum von 20 Prozent wurde nicht erreicht. Der Gesetzgeber sagt dazu, „dass ein Ratsbürgerentscheid die Wirkung eines Ratsbeschlusses hat, und dass er vor Ablauf von zwei Jahren nur auf erneute Initiative des Rates durch einen neuen Bürgerentscheid abgeändert werden kann.“ Die Umsetzung trotz Ablehnung des fehlenden Quorums ist daher –vorsichtig formuliert– juristisch mutig.

Hinsichtlich der geplanten Umgestaltung des Stadthallenumfeldes dürfen Ursache und Wirkung nicht verwechselt werden.

Der Rat hatte mehrheitlich der streitgegenständlichen Umgestaltung zugestimmt. Gleichzeitig wurde diese Planung von den Bürgerinnen und Bürgern aber sehr konträr diskutiert.

Gerade für solche Fälle sieht aber der Landesgesetzgeber nicht nur in Nordrhein-Westfalen einen sogenannten Ratsbürgerentscheid vor, das heißt die Einbeziehung der Bürgerinnen und Bürger in solchen wichtigen streitgegenständlichen Fragen.

Es wurden Unterschriften gesammelt. Das Quorum wurde nach Ansicht der Verwaltung um wenige Stimmen verfehlt. Jedoch hätten weitere Stimmen, die vor der entscheidenden Ratssitzung nachgereicht wurden, noch eindeutig berücksichtigt werden müssen. Das Bürgerbegehren wurde abgelehnt. Daraufhin musste Klage erhoben werden, die dann erst dazu geführt hat, dass die Mehrheit des Rates sich zu einem Ratsbürgerentscheid durchrang.

Die Zeitverzögerungen bei den Investitionen entstanden also insbesondere durch das Verhalten der Mehrheit des Rates. Man hätte schneller zum Ergebnis kommen können, indem man von sich aus die Berücksichtigung des Bürgerwillens durch einen Ratsbürgerentscheid von Anfang an ermöglicht hätte, wie wir es schon im Juni vorgeschlagen haben.

Auch ist es natürlich nicht so, dass die Zuschüsse für die Regionale und das Stadthallenumfeld nur erfolgen würden, wenn genau die seit Monaten in Frage stehende Planung umgesetzt wird, wie gelegentlich in der öffentlichen Diskussion dargestellt. Das Geld fließt auch, wenn der Platz etwa durch eine „Spielstraße“ belebt wird, die Volme anders, nämlich naturnah, offengelegt wird und der geplante Kreisverkehr auch vernünftig befahrbar ist.

Der Haushaltsplanentwurf sieht gleichwohl zahlreiche vernünftige investive Ausgaben vor, die in unsere Stadt passen und die uns voran bringen – nicht nur im Rahmen der Regionale. Wichtig ist nur, dass diese investiven Ausgaben jetzt auch getätigt und nicht geschoben werden, wie in nicht unerheblichem Umfang in den vergangenen Jahren.

Einige Anmerkungen zu einzelnen Produktgruppen:

Wir Unabhängigen stehen hinter der Musikschule, die im Haushaltsplan als Produkt 004263001 „Musikschule“ ausgewiesen ist. Hier liegen sinnvolle Ausgaben vor. Die  Musikschule ist der größte Posten im Kulturbereich.

Interessant wäre es aus unserer Sicht – nicht nur, aber auch hierfür – in einem „Benchmark“ einmal einen Vergleich vorzunehmen, wo wir stehen (Aufwendungen je Schüler, Qualität der Ausbildung).

Das Stadtarchiv ist in der Produktgruppe 004525 „Museen, Sammlungen und Ausstellungen“ berücksichtigt. Hier leistet man sich ein jährlich negatives Teilergebnis von rd. 60 bis 75 TEUR, für die Kulturförderung und Heimatpflege lediglich die Hälfte. Nicht das negative Teilergebnis wird kritisiert – das ist bei kulturellen Aufgaben so – sondern das Verhältnis.

Zum Thema Kulturförderung (Bereich 004 „Kultur- und Wissenschaft“) im Ganzen:

Im Teilfinanzplan, Seite 513, sind für 2012 und 2013 je 13.500 EUR als Zuwendung für die Kulturgemeinde veranschlagt. Nach der Berichterstattung in der Lokalpresse soll KUK die Aufgaben ab 2014 übernehmen. Im Teilfinanzplan haben wir eine Position, die KUK betrifft, nicht ausmachen können. Außerdem reduzieren sich die „Aufwendungen aus internen Leistungsbeziehungen … Raumkosten KGM und KUK“ (Nr. 28, Seite 207), was bedeuten dürfte, dass weniger Veranstaltungen geplant sind, die die Stadt durch die Zurverfügungstellung von Räumen sponsert.

Unsere Stadt lebt insbesondere auch von KUK! Was dieser Verein auf die Beine stellt, ist außerordentlich! Wir hoffen, dass wir die Zahlen „falsch gelesen haben“ und nicht nur KUK, aber auch KUK, ein Verein, der neben vielen anderen Vereinen in unserer Stadt eine tragende Säule darstellt, die finanziellen Mittel erhält, die der Verein benötigt.

Investitionen müssen vernünftig sein. Ob der „Balkon zum Sauerland“ die geplanten Investitionen wert ist oder ob nicht viel mehr andere Maßnahmen dringlicher sind, die die Innenstadt verbessern bzw. Alleinstellungsmerkmale darstellen, wird zu diskutieren sein.

Seite 659 des Haushaltsplanentwurfs sieht Investitionsmaßnahmen für die Villa im Park vor.

Ein konkretes Konzept, wie die kulturelle Belegung hier erfolgen soll, liegt uns noch nicht vor. Bei 741 TEUR Fördermitteln und 513 TEUR Eigenmitteln wird über dieses Konzept zu diskutieren sein.

Ein Wort noch zu § 9 der Haushaltssatzung. Hiernach sollen über- und außerplanmäßige Aufwendungen künftig auch unerheblich sein, wenn sie auf vertraglicher Verpflichtung beruhen. Diese Ermächtigungsvorschrift zu Lasten des Rates führt zu Bauchschmerzen und man fragt sich, ob ein junger Kämmerer gut beraten ist, die Kompetenz der Verwaltung so zu Lasten des Rates auszubauen. Wir werden die Folgen sehr genau beobachten.

Meine Damen und Herren, wir Unabhängigen stimmen diesem Haushalt heute zu, da in Meinerzhagen investiert werden muss und die Stadt handlungsfähig bleiben muss. Dass zahlreiche Maßnahmen hinsichtlich der Art und Weise der Ausführung bzw. der Höhe der Kosten nicht unsere ungeteilte Zustimmung finden, haben wir in den vergangenen Monaten deutlich gemacht.

Investitionsmaßnahmen müssen mit Augenmaß erfolgen. Sie müssen hierhin passen und nicht Düsseldorfer Maßstäbe zugrunde legen. Und wir müssen aufpassen, dass die Belastungen für Bürgerinnen und Bürger und Unternehmen in dieser Stadt nicht so stark werden, dass ihnen die Luft „ausgeht“ bzw., um im Bild zu bleiben, dass der Ast abbricht, auf dem wir sitzen!

Vielen Dank!

Raimo Benger